Der König: Vogelkönig - Scheibenkönig
Das bedeutungsvollste Ereignis in den Schützengesellschaften bildet das Königsschießen, das in sämtlichen Städten, aber auch in kleinen Dörfern unter Beteiligung der gesamten Einwohnerschaft als wahres Volksfest gefeiert wurde. Hierbei unterschied man in vielen Städten zwischen dem Scheibenkönig und dem Vogelkönig, da entweder eine Zielscheibe oder ein bunt bemalter hölzerner Vogel als Ziel diente. Gerade das Vogelschießen, in dem ein geheiligtes altgermanisches Brauchtum zu erblicken ist, erfreute sich großer Beliebtheit. Meistens benutzte man hierzu die Nachbildung eines Papageien, oftmals auch die eines Schwanes, während in neuerer Zeit vielerorts der heraldische Doppeladler des alten Römischen Reiches als Ziel dient. Im Laufe der Zeit stellten viele Büchsenschützengilden das Schießen auf den Vogel ein, weil ein echtes Messen der Zielsicherheit fast ausgeschlossen und das zum Sieg entscheidende Herunterholen des Vogelkörpers zu sehr an Zufälligkeit gebunden ist. Während die Armbrustschützen vorwiegend dem alten Brauch treu blieben, maßen die Büchsenschützen nunmehr ihre Kräfte auf Scheiben, die als Motiv den alten Königsvogel hatten.
Das Königsschießen galt und gilt noch heute als die Auszeichnung des besten Schützen der Gilde oder der Gemeinde und Städte. Er wurde zum König ausgerufen, trug für die Dauer eines Jahres die Ehrenkette und kam in den Genuss einer Reihe von Vorteilen, die in den einzelnen Gemeinden und Städten sehr unterschiedlich festgelegt waren. Diese Vorteile bestanden unter anderem in der Befreiung von der Steuerpflicht, von Herrendienst, Wachdiensten und von Abgaben für das Branntweinbrennen. Die Ehrenketten der Schützenkönige ähneln in der äußeren Form den Amtsketten der Bürgermeister und sie bilden zum größten Teil Goldschmiedearbeiten von hohem künstlerischem Wert. Viele Ketten besitzen als Anhänger die Gestalt eines Vogels als Sinnbild des Vogelschusses sowie ein Medaillon mit dem Bildnis des Schutzpatrons, in den meisten Fällen der hl. Sebastian. Es bürgerte sich ein, dass der jeweilige König für die Ehrenkette einen Anhänger stiftete, auf dem der Name des Stifters und das Jahr des Königschusses eingraviert wurde. In der heutigen Zeit werden Silbermünzen die als Sonderprägung über das Geschehen eines Jahres berichten, gerne als Zeitzeugen an die Kette geheftet, und so entstehen Schützenketten von unsagbarem Wert, und sehr zum Leidwesen der Kettenträger zu einer Last wurde, die durch die jährliche Vergrößerung hervorgerufen wurde. Ja, so ist vieles vom damaligen Schützenbrauchtum bis in die heutige schnelllebige Zeit erhalten geblieben.
Historik: Adler oder Vogelschießen
Der Brauch des Vogelschießens ist eigentlich eine uralte Einrichtung. Im Süden des Deutschen Raumes allerdings nicht so verbreitet wie in Mittel und Norddeutschland. Ursprünglich geht er auf einen alten germanischen Mythos zurück. Damals schossen die Vorväter bei einer altgermanischen Frühlingsfeier auf einen an einer Stange befestigten hölzernen Vogel. Er stellte den unheilvollen Höllenvogel - den Hahn „Windofinir" - dar, der bereits in der Edda-Sage erwähnt wird. Indem man ihn erlegte, so der Glaube, verbannte man das Böse aus der Welt, um den Menschen zum Frühlingsanfang das Lichte, Gute, zu bescheren. Auch in der Zeit des Mittelalters hielt man den Brauch, um den verhassten Unheilbringern- Dunkel, Tod und Verderben - den Garaus zu machen. Damals war der Schuss auf den Vogel im gesamt deutschsprachigem Raum weit verbreitet. Meist benutzte man dabei einen farbenprächtigen Papagei als Zielscheibe. Bis ins 19. Jahrhundert wurde auf den hölzernen Vogel geschossen. Als die Schützen begannen auf Scheiben zu schießen, haben sie, so wird vermutet, das „Vogelschießen" den Kindern überlassen. Schriftliche Aufzeichnungen darüber existieren allerdings nicht, so dass man lediglich auf Spekulationen angewiesen ist.